Oliven ernten in Spanien: Ein Tag auf dem Olivenhain von Roger Schläpfer


Oliven ernten in Spanien: Ein Tag auf dem Olivenhain von Roger Schläpfer in den Hügeln der Sierra de Montoro/Cardeña in Andalusien

Gern möchten wir euch einen Tag zur Olivenernte mitnehmen – nach Spanien, genauer gesagt in die Hügel Andalusiens rund um Montoro, einem Dorf, das nur aus Oliven und Olivenbäumen besteht. Mein Bekannter Roger Schläpfer hat dort seinen biologisch bewirtschafteten Olivenhain und ein kleines Hotel mit dem Namen “Olivetum Colina” mit etwa 300 Bäumen, allesamt im stolzen Alter zwischen 300 und 400 Jahren. Wie ein typischer Erntetag auf seinem Olivenhain aussieht, wann und wie dort die Oliven geerntet werden und was ihr sonst noch unbedingt über das Ernten von Oliven wissen solltet – das hat mir Roger mit Bildern berichtet und ihr erfahrt es in diesem Beitrag.

Doch zunächst noch einen ganz kurzen Dank an Roger und einen Hinweis auf sein Guesthouse: Er freut sich über jeden Besuch und natürlich auch über jede Bestellung seines sehr delikaten Olivenöls. Im Folgenden findest du einige Eindrücke, und hier geht es zur Webseite von Olivetum Colina:

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Wie läuft ein Erntetag genau ab? – Ein “Insider-Bericht” der Ernte 2022 von Olivenöl-Erzeuger Roger Schläpfer

Der nachfolgende Ernteablauf beschreibt den allerersten Tag der Ernte im Jahr 2022: der 24. Oktober 2022. Im andalusischen Montoro wird es in dieser Jahreszeit um 8.30 Uhr hell. Entsprechend dem Tageslicht beginnt genau dann die Arbeit. Und so verlief dieser Tag:

8h45 8 Erntehelfer treffen ein (9 waren bestellt). Begrüßung durch mich (Roger Schläpfer). Die Vorbereitungen starten ohne Verzögerung. DSC06649-Kopie-K-250 
8h55 Das typische Geräusch des Handschüttlers ist zu hören. Die Ernte hat begonnen. Der Handschüttler ist ein Gerät, welches dem kräftigsten und erfahrensten Erntehelfer übergeben wird. Mit diesem kann am Olivenbaum eine Fibration ausgelöst werden. Gleichzeitig ernten 2 Erntehelfer mit den Stangen, um die Oliven vom Baum in die darunter liegenden Netze zu bringen.  DSC06666-Kopie-K-250
09h30 Die ersten Bäume mit gestochenen Oliven werden separiert und von Hand aussortiert.  DSC06850-Kopie-K-250
10h05

Die ersten 250 Kilos Oliven sind am Boden. Nun gilt es, diese rasch an einen kühlen und schattigen Ort zu bringen. 

Bedingt durch die sehr anstrengende Arbeit der Erntehelfer ist es üblich, dass in den ersten 3 Stunden etwa 60 % des Tagesertrags geschüttelt werden. Die restlichen 40 % werden in den verbleibenden 3.5 Stunden geerntet.

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12h00

Die Arbeit geht voran. Der Mund ist ausgetrocknet, die Arbeitskleidung ist nass vom Schweiß. Es bedarf einer ersten 15-minütigen Pause. Der Chef der Erntetruppe verrät mir, dass 2 Handschüttler – die gerade frisch aus der Revision kamen – nicht richtig funktionieren und daher außer Betrieb genommen werden müssen. Der Ersatz-Handschüttler kommt zum Einsatz.

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13h00 Erster Meilenstein des heutigen Tages: Die ersten 40 Bäume sind geerntet. Das schwierige, steile Gelände rund um das Haus verlangt von den Erntehelfern alles.  DSC06805-Kopie-K-250
14h00

Die große Mittagspause steht an. Alle packen die traditionellen Bocadillos (Sandwiches) aus, beträufeln das Brot mit Olivenöl und füllen es mit Fleisch, Käse, Oliven und manchmal auch mit Fisch. Alkoholische Getränke sind tabu!

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15h00 Es geht nochmals für 1.5 Stunden weiter. Die Kräfte schwinden, erste Erschöpfungszustände bei den jüngeren, weniger geübten Erntehelfern zeigen sich. Das ist typisch für den ersten Erntetag. Nun der nächste kleine Rückschlag: Auch der dritte Handschüttler fällt aus. Um 15.30 ist vorzeitig Schluss für heute. Morgen muss die verlorene Stunde nachgeholt werden.  DSC06753-Kopie-K-250
16h00 Die geernteten Oliven wurden den ganzen Tag über umgehend aus dem Olivenhain an den Sammelplatz geführt und dort kühl gehalten. Der Transport in die Mühle trifft nun ein. Ein Zweierteam startet mit der Beladung des Anhängers. Es geht so schnell wie möglich in die Mühle. Abfahrt mit den Oliven um 16.30 Uhr.  DSC06906-Kopie-K-250
16h50 Eintreffen in der Mühle, der Prozess startet in wenigen Minuten: Oliven von den Blättern befreien, waschen, wiegen. Nun wird zerhackt und verarbeitet.  DSC06917-Kopie-K-250
17h47 Die ersten Tropfen des exklusiven Olivenöls sind sichtbar. Ein sehr emotionaler Moment!!  DSC06941-Kopie-K-250
18h43

Aus den 1370 Kilos Oliven wurden 192 Liter Olivenöl bester Qualität extrahiert. Was für ein Glücksgefühl!! Eine Probe des Bio-Olivenöls wird morgen ins Labor gebracht und auf Rückstände und Kontamination geprüft.

(Erklärung: Da am heutigen Tag die Bio-Bäume an der Grenze zu den Nachbarn geerntet wurden, wird das daraus gewonnene Olivenöl zunächst immer erst auf Rückstände und Kontaminationen untersucht, bevor es mit dem Olivenöl der nachfolgenden Erntetage gemischt wird.)

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20h30 Verkostung des Olivenöls am Familientisch. Sehr lecker!  

Und das ist das Ergebnis der Ernte: Das Bio-Olivenöl Olivetum Colina extra native «riquessa» 

Die Aufmerksamkeit bei der Herstellung dieses Bio-Olivenöls gilt ausschließlich der Gesundheit. Die Anbau- und Produktionsmethoden sind nachhaltig. So verzichtet Roger Schläpfer z.B. aus Respekt zur Natur auf jegliche zusätzliche Bewässerung der Olivenbäume.

Qualitätsmerkmale (Ernte Ende 2022)

  • Säuregrad: 0,14 %
  • Periodix Index: 3,6 meq O2 / kg
  • Polyphenolgehalt: 674 mg/kg
  • Fruchtgehalt: 6,2
  • Bitterkeit: 3,6
  • Schärfe: 4,3
  • Kilos Oliven pro Baum: 10,93 kg
  • Olivenölertrag pro Baum: 1,55 kg
  • Alter Baumbestand, geschätzt 300 – 400 Jahre
  • Trockenanbau (keine Bewässerung)

Bio-Olivenöl Olivetum Colina extra native «riquessa» als “Gesundheitselixier”

Meist früh gegen Mitte Oktober geerntet, entsteht ein sehr kräftiges Bio-Olivenöl aus Picual-Oliven, mit einer ausgewogenen Harmonie zwischen Bitterkeit, Schärfe und Fruchtigkeit. Es ist in der Nase sehr aromatisch und vielschichtig, mit den Noten von frisch geschnittenem Gras, Tomatenblättern, grüner Banane und Basilikum. Es zeigt im Gaumen und vor allem in der Kehle eine deutliche Schärfe und eine gute harmonische Bitternote. Das Olivenöl passt zu kräftig aromatischen Speisen, Bruschetta, Holzofenbrot, Steinpilzen, Früchte-Sorbet und Südfrüchten.

Über Roger Schläpfer

Seit 9 Jahren lebt Roger Schläpfer mit seiner Familie in Montoro, Andalusien. 2013 verwirklichten sie ihren Traum, eine alte Olivenölmühle mit eigenem Olivenhain im spanischen Andalusien zu kaufen. Ihre Aufmerksamkeit gilt der Natur mit all ihren Vorzügen und Kräften. Roger ist Mitbegründer der Bio-Bauernvereinigung in Montoro. Seine Frau Brigitte führt seit 20 Jahren eine Praxis der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin). Der Vertrieb der Olivenöle erfolgt über die Suportis GmbH aus der Schweiz, der Versand für Europa erfolgt aus Deutschland. Dadurch können auch Kunden aus Deutschland schnell und unkompliziert dieses Olivenöl erhalten.

Einige Eindrücke aus dem Olivenhain:

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Bilder Erntetag & Olivenhain: Roger Schläpfer / Olivetum Colina

Wissenswertes zur Olivenernte – Die wichtigsten Fragen und Antworten

Und für alle, die mehr wissen wollen, kommen hier noch die wichtigsten allgemeinen Fakten zum Ernten und Verarbeiten von Oliven – konzentriert auf einen Blick. Los geht’s! 

Wann werden die Oliven geerntet?

Die Olivenernte findet in den meisten südeuropäischen Ländern zwischen Oktober und Januar statt. Bei manchen Sorten und Regionen reicht die Ernte sogar bis in den März oder April hinein, aber das ist eher selten. Der konkrete Zeitpunkt der Ernte hängt davon ab, wo genau der entsprechende Olivenhain liegt, wie die klimatischen Bedingungen dort sind und ob man die Oliven z.B. eher frühreif (grün in der Farbe), violett / rot (Übergang zur Reife, Farbe je nach Sorte) oder vollreif (schwarz in der Farbe) ernten möchte. Bei Roger beispielsweise begann die Ernte am 24. Oktober 2022, also noch zu einem relativ frühen Zeitpunkt. Der gewünschte Reifegrad der Oliven hat einen großen Einfluss, nicht nur auf die Ölausbeute, sondern auch auf den Geschmack und die gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe des Olivenöls. 

Kleiner Exkurs: Grüne Oliven vs. violette / schwarze Oliven ernten – Was der Reifegrad der Oliven für das Olivenöl mit sich bringt 

Etwa in der Zeit von Anfang Oktober bis Mitte November werden die noch unreifen und daher grünen Oliven geerntet. Diese ergeben ein schärferes, pfeffriges und bitteres Olivenöl, das intensiv im Geschmack und sehr reich an gesunden Inhaltsstoffen ist. Erntet man die Oliven in einem späteren Reifestadium, werden sie deutlich milder im Geschmack. Oliven reif zu ernten, hat für die Erzeuger*innen den Vorteil, dass sich der Ölgehalt erhöht. Dadurch kann aus der gleichen Menge Oliven eine größere Menge Olivenöl gewonnen werden. Wie hoch der Ölgehalt konkret ist, kann je nach Sorte und Erntezeitpunkt stark variieren. Das erklärt die großen Preisunterschiede bei sortenreinem Olivenöl und ist auch der Grund, warum ein scharfes, bitteres Olivenöl in der Regel teurer ist als ein sehr mildes.

Viele Erzeuger*innen ernten nach der 60/40-Regel: Also zu dem Zeitpunkt, wenn etwa 60 Prozent aller Oliven violett gefärbt, also im Übergang zur Reife, und 40 Prozent noch grün sind. In der Vollreife sind alle Oliven schwarz. Dies bringt eine optimale Ausbeute bei sehr gutem Geschmack mit sich. 

Ein paar Beispiele: Anfang Oktober (early harvest / frühe Ernte) geerntete Oliven der Sorte Nocellara del Belice aus Sizilien haben einen Ölgehalt von ca. 12-18 %. Die Koroneiki Olive aus Griechenland liefert bis zu 25 % Ölgehalt und die Olivensorten mit dem höchsten Ölgehalt kommen auf bis zu 35 %.

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Oben: Grüne Cerignola-Oliven (in der Reife rot bis schwarz), Unten: Im Übergang zur Reife, violette Koroneiki-Oliven

Wie werden die Oliven geerntet? – Warum die Beschaffenheit der Olivenhaine die Erntemethode bestimmt 

Die Lage und Beschaffenheit des Olivenhains bestimmt die Erntemethode. Rogers Olivenhain zum Beispiel liegt in den Hügeln rund um Montoro und weist eine Neigung zwischen 20 % und sogar 48 % auf – eine relativ steile Hanglage. Den Bäumen stehen ca. 30 cm Erde/Steine zur Verfügung, darunter befindet sich Fels, vornehmlich Schiefer. Deshalb sind die Bäume eher kleinwüchsig und knorrig. Sämtliche Arbeiten in diesen Hügeln können daher nur manuell erledigt werden, d.h. per Hand und Ernterechen bzw. Handschüttler (elektrische oder benzinbetriebene Rechen). Das ist körperlich sehr anstrengend für die Erntehelfer*innen. Eine maschinelle Ernte ist in dieser Hanglage schlichtweg unmöglich.

Kleiner Exkurs: Maschinenernte vs. Handernte

Allein auf groß angelegten Plantagen im Flachland ist es möglich, Erntemaschinen einzusetzen, mit denen die Ernte auf die denkbar schnellste und effektivste Weise vollzogen werden kann. Doch diese Art von intensiver Landwirtschaft hat eine Reihe von negativen Folgen für Umwelt, Tier und Mensch: Dazu zählt vor allem der Artenverlust aufgrund der Zerstörung des Ökosystems auf diesen Hainen und die fortschreitende Wüstenbildung mit all ihren weitreichenden Konsequenzen. Mehr zum Thema ”Wie der intensive Olivenanbau zur Wüstenbildung beiträgt”, kannst du in diesem Artikel nachlesen. 

So beschwerlich wie die Ernte per Hand und Ernterechen auf einem alten, natürlich gewachsenen Olivenhain manchmal sein kann (- vor allem in Steillagen wie bei Roger – ), so wertvoll ist dieser traditionelle Olivenanbau jedoch: für Bodenförderung und Humusbildung sowie für die Biodiversität und den Schutz einer reichen Pflanzen- und Tierwelt. Wenn du ausführliche Informationen über die Vor- und Nachteile der einzelnen Erntemethoden erfahren möchtest, dann schau dir gern unseren Blogbeitrag an: “Wie werden Oliven geerntet?”.

Wieviele Personen helfen bei der Olivenernte?

Für einen Olivenhain in der Größe und Lage, wie ihn Roger betreibt, werden bis zu zwei Ernteteams benötigt, wobei ein Team aus jeweils 4 oder 5 Personen besteht. Die Arbeiten innerhalb eines Teams sind klar aufgeteilt: 2 Personen sind stets damit beschäftigt, die Bäume für die Ernter (also für die anderen 2-3 Personen) vorzubereiten. Dazu gehört, die Netze auszulegen und diese anschließend auch zu leeren bzw. die Oliven in die Gefäße oder Säcke abzufüllen. In den steilen Hanglagen, die körperlich am herausforderndsten sind, arbeiten mehrheitlich Männer. Ansonsten gibt es aber auch gemischte Teams. 

Es werden einheimische Erntehelfer*innen angestellt und entsprechend den vorgegebenen Entlohnungstabellen bezahlt. Generell berichtet Roger davon, dass die Ernte in solch schwierigen Hainen sehr unbeliebt ist und man fast schon betteln muss, um überhaupt Leute dafür zu finden.

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Wie werden die Oliven weiter verarbeitet? 

Nach dem Ernten der Oliven geht es so schnell wie möglich in die Ölmühle. Dort wird das Olivenöl meist kalt extrahiert (auch “kaltgepresst” bezeichnet) und damit ausschließlich im mechanischen Verfahren gewonnen.
Im ersten Arbeitsschritt werden die frisch geernteten Oliven von Blättern und Zweigen getrennt, danach werden sie gewaschen und im Anschluss zu einer Olivenpaste zermahlen. Die schonende Kaltextraktion, bei der die Maische sowie das frisch gewonnene Olivenöl zu keinem Zeitpunkt Temperaturen über 27 °C ausgesetzt wird, garantiert den vollen Erhalt sämtlicher Inhaltsstoffe sowie des ursprünglichen Fettsäuremusters, das ausschlaggebend für Geschmack und Haltbarkeit des Öls ist.

Kleiner Exkurs: Kaltextraktion vs. Kaltpressung? Was ist der Unterschied?

Auf den Etiketten von Olivenöl findet man entweder die Angabe “kaltgepresst” oder “kalt extrahiert” (wie es beim Olivenöl von Roger korrekt der Fall ist). Im Sprachgebrauch und im Handel ist vor allem “kaltgepresst” geläufig, weshalb viele davon ausgehen, dass dies die bessere Qualität verspricht. Aber ist das wirklich so? 

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Nein! Die Kaltpressung ist das traditionelle Verfahren, das früher ausschließlich angewendet wurde, heute aber immer seltener anzutreffen ist. Die Kaltextraktion dagegen ist das fortschrittlichere Verfahren, das zugleich auch schonender und der Qualität des Olivenöls zuträglicher ist. Der heutige Qualitätsstandard sollte daher eigentlich “kalt extrahiert” sein. Warum aber steht auf vielen Etiketten von extra nativem Olivenöl immer noch “kaltgepresst” drauf (obwohl die meisten vermutlich kalt extrahiert wurden)? Ganz einfach: Weil dies bei den Verbraucher*innen bekannter ist und immer noch den Ruf hat, “das Beste” zu sein. Das aber ist überholt. Seit 2002 unterscheidet die Europäische Union ganz klar zwischen “kaltgepresstem” und “kalt extrahiertem” Herstellungsverfahren. Beide Methoden haben Gemeinsamkeiten, aber auch ganz entscheidende Unterschiede. 

Die Gemeinsamkeiten beider Herstellungsverfahren betreffen vor allem die vorbereitenden Arbeitsschritte und die Temperatur: Sowohl in der Kaltpressung als auch in der Kaltextraktion werden die Oliven vorab von Blättern und Zweigen getrennt, dann gewaschen und zu einer Olivenpaste zermahlen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass die Temperatur bei beiden Methoden während des gesamten Verarbeitungsprozesses nicht mehr als 27 Grad beträgt.

Übrigens: Das Merkmal “kalt” ist inzwischen kein besonderes Qualitätsmerkmal mehr, denn wirklich heiß presst heute eigentlich niemand mehr. Die Zeiten sind lange vorbei. Vor gut einem Jahrhundert hatten die Ölmüller keine andere Wahl, als das Olivenöl in mehreren Pressungen zu gewinnen: erst kalt und am Ende heiß, indem erhitztes Wasser hinzugefügt wurde, wodurch auch noch der letzte Öltropfen herausgepresst wurde. Diese Vorgehensweise gilt übrigens nur für Olivenöl. Andere Speiseöle werden durchaus, auch mit modernen Methoden, „heiß gepresst“ – auch wenn es, was eine sehr gute Entwicklung ist, immer mehr „handwerkliche“ Ölmühlen gibt, die Speiseöle aus Nüssen oder Saaten rein mechanisch und kalt extrahieren!

Die heutigen Maschinen sind jedoch längst so leistungsstark, dass eine (kalte) Pressung bzw. Extraktion genügt. Die Bezeichnung “erste Kaltpressung”, die man ebenfalls manchmal auf Etiketten liest, ist zwar nicht falsch, aber auch irreführend: Denn hochwertiges Olivenöl wird heutzutage weder heiß noch mehrfach gepresst.

Heiß gepresst bzw. korrekterweise extrahiert wird dennoch, so schreibt es mir Roger. Das Ergebnis ist ein Olivenöl der Güteklasse 3 (Güteklasse 1 ist natives Olivenöl extra, Güteklasse 2 ist natives Olivenöl): Lampantöl, auch Lampenöl genannt. Um dieses zu gewinnen, durchläuft die Maische der hochwertigen Oliven einen zweiten “Extraktionsprozess”, mit mehr Umdrehungen in der Zentrifuge und auch mit höherer Temperatur. Es gibt auch noch eine zweite Ausgangssituation, in welcher Lampantöl aus Oliven hergestellt wird: Sobald das Rohmaterial Oliven nicht mehr nativ ist (bei Roger mit Ernte ab ca. Ende Jahr bzw. je nach Witterung und Reifegrad), wird normalerweise gleich Lampantöl hergestellt. Hier wird die Temperatur nach Möglichkeit bis zu 60 Grad hochgeschraubt, um möglichst viel Olivenöl zu extrahieren. Dieses Lampant Olivenöl wird im Anschluss raffiniert, gemischt mit nativem Olivenöl, schlicht als “Olivenöl” (Güteklasse 3) – in den Handel gebracht. Oftmals wird es auch illegalerweise mit Farb- und Aromastoffen angereichert und / oder es werden andere Speiseöle beigemischt und im Anschluss als natives Olivenöl extra in den Handel gebracht.  Dieser Prozess, Oliven aus Maische eines vorangegangen Exktraktionsprozesses oder qualitativ minderwertigen Oliven zu Lampantöl zu verarbeiten, ist nach Rogers Aussage hochrentabel und beliebt. Wie ist es sonst zu erklären, dass die Vergütung pro Tonne Olivenöl nur ca. 10 % unter dem für natives Olivenöl extra liegt.

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Oben: Eine Ölmühle mit Kaltpressung, Unten: Eine moderne Olivenöl-Extraktionsanlage

Quelle zum Thema “Kaltpressung unter 27 Grad Celsius”: DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 29/2012 DER KOMMISSION vom 13. Januar 2012 mit Vermarktungsvorschriften für Olivenöl